Warum ist Tageslicht so wichtig für die Gestaltung von Schulen?

Wir wissen alle, dass das beste Mittel gegen den „Winterblues“ ein kurzer Urlaub in einem wärmeren und sonnigeren Klima ist, vorzugsweise mit einem weißen Sandstrand und einem klaren blauen Himmel.

Die belebende Wirkung von Tageslicht und Wärme spüren wir auch im kleineren Maßstab und in verschiedensten Umgebungen, zu Hause oder im Büro, in öffentlichen Gebäuden oder Schulen und Universitäten. Es überrascht daher nicht, dass eine jüngst durchgeführte Studie¹ zur Auswirkung der physischen Gestaltung von Schulgebäuden auf die Leistungsfähigkeit der Schüler ergeben hat, dass die Beleuchtung ein wichtiger Einzelparameter ist.

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Warum Tageslicht?

Mehrere bahnbrechende Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass Tageslicht nicht nur gut für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern ist, sondern auch ihre schulische Leistung signifikant verbessern kann.

Eine dieser Untersuchungen¹ wurde an der Pariser Sorbonne auf der Grundlage von Daten der SINPHONIE Study durchgeführt, an der 2.387 Kinder aus 13 europäischen Ländern teilgenommen hatten. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die schulische Leistung um bis zu 15 % gesteigert werden kann, wenn die Schüler in Klassenzimmern mit größeren Fenstern arbeiten, was sowohl auf eine größere Menge an Tageslicht als auch eine bessere Sicht nach draußen zurückzuführen ist.

Die an der Universität Salford in Manchester durchgeführte Studie „Clever Classrooms“² zeigte, dass gute Tageslichtverhältnisse dazu beitragen, ein Gefühl des physischen und psychischen Wohlbefindens zu schaffen. Der Nutzen guter Lichtverhältnisse scheint also weit mehr als nur eine Sehhilfe zu sein.

Mit Tageslicht gestalten

Wo immer möglich, sollte es unser Ziel sein, Tageslicht zur wichtigsten Lichtquelle in Schulen zu machen, auch wenn es durch ausreichend hochwertiges Kunstlicht ergänzt werden muss, sollte die Beleuchtungsstärke zu gering sein. Gut kontrolliert ist Sonnenlicht generell als Lichtquelle in Gebäuden in ganz Europa vorzuziehen.

Wenn Fenster oder Tageslichtsysteme nach Norden ausgerichtet sind, ist das in einen Raum einstrahlende Tageslicht weicher und diffuser, wobei es im Laufe des Tages zu subtilen Veränderungen der Beleuchtungsstärke und der Farbtextur kommt. Bei anderen Ausrichtungen erhöht das Sonnenlicht die allgemeine Helligkeit im Inneren, wobei spezifische Bereiche konzentriert beleuchtet werden.

Die Herausforderung bei der Gestaltung mit Tageslicht zeigt sich besonders bei Klassenzimmern mit hoher Raumtiefe, in denen das Licht vom Fenster bis in den hinteren Teil des Raums eine beträchtliche Strecke zurücklegen muss. Hier treten häufig unterschiedliche Beleuchtungsstärken auf – sehr hell nahe den Fenstern und dunkler weiter hinten im Raum. In Situationen, in denen die Form oder Größe des Klassenzimmers keine ausreichende Beleuchtungsstärke im gesamten Raum erlaubt bzw. die Fensterfläche begrenzt ist, sind Dachverglasungen häufig die beste Lösung. Falls aufgrund über dem Raum liegender Geschosse oder Dachaufbauen kein direkter Zugang zum Himmel möglich ist, können Lichtschächte eine effektive Alternative sein.

Die Schaffung von Tageslichtöffnungen hat unter anderem auch den Vorteil, dass sie zusätzlich eine Verbindung zum Freien herstellen und es ermöglichen, Veränderungen des Wetters, der Tages- und Jahreszeit zu erleben.

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die eine Rolle spielen, wenn man berücksichtigen möchte, wie viel Tageslicht durch Fenster oder Dachverglasungen generiert werden soll. Dazu zählen der Lichttransmissionsgrad der Verglasung, die Wandstärke, Hindernisse im Außenbereich, überhängende (z. B. Balkon) und seitliche Anbauten (z. B. Gebäudeanbauten), die Raumtiefe usw.. Berücksichtigt man bei der Berechnung alle diese Faktoren, lässt sich mit einer Tageslichtlösung im Dach üblicherweise mehr als der doppelte Tageslichteintrag gewinnen als mit einem Fassadenfenster der gleichen Größe.

Übermäßige Blendwirkung kontrollieren

Blendung entsteht, wenn ein zu stark ausgeleuchteter Bereich im Sichtfeld liegt oder das Kontrastverhältnis hoch ist. Grundsätzlich unterscheidet sich die durch Tageslicht verursachte Blendung von der durch elektrische Lichtquellen verursachten Blendung bezüglich der Größe der Blendquellen, der komplexen Leuchtdichteverteilung und der Akzeptanz der Personen. Beispielsweise sind Menschen üblicherweise in einem Tageslichtumfeld toleranter gegenüber Blendlicht⁴.

Obwohl hohe Tageslichtstärken, die über große Fenster und Oberlichter in den Raum gelangen, in einem Klassenzimmer das Optimum darstellen, müssen diese kontrolliert werden, um eine übermäßige Blendwirkung durch direkte Sonnenlichteinstrahlung zu vermeiden. Dieses Problem wird umso akuter, je mehr interaktive Whiteboards und Computerprojektoren in Klassenzimmern zum Einsatz kommen.

Ein wichtiger Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, um Blendwirkung und Kontrastverhältnis zu kontrollieren, ist die Ausrichtung der Fenster. Größere Fensterflächen sind idealerweise nach Norden ausgerichtet, um Tageslicht während des Tages/Jahres möglichst gleichmäßig und diffus eindringen zu lassen.

Eine weitere wirksame Lösung ist die Installation einfach zu bedienender opaker Sonnenschutz-Rollos für die effektive Steuerung des Tageslichtniveaus. Eine Alternative zu Jalousien ist ein fester außenliegender Sonnenschutz, was im Einzelfall aber, je nach Umständen und Anforderungen, immer noch das Anbringen zusätzlicher innenliegender Sonnenschutzsysteme erfordert. Hierfür können andere Produkte wie Vorhänge, Sonnenschutz-Rollos usw. aus Stoff, Folie oder perforiertem undurchsichtigem Material verwendet werden.

Alle diese Maßnahmen verringern das Auftreten von Blendung in unterschiedlichem Maße, abhängig von den optischen Eigenschaften des Materials, der Ausrichtung der Fenster, dem geografischen Standort und der jährlichen Sonnenscheindauer, der Fläche und dem Lichttransmissionsgrad der Verglasung sowie dem Abstand einer Person zur Lichtquelle. Die Materialeigenschaften und der Grad des Blendschutzes für diese Arten von Sonnenschutzprodukten sind in der europäischen Norm EN 14501, Sonnenschutz-Rollos und Jalousien, und im europäischen Normentwurf prEN 17037, Tageslicht in Gebäuden, festgelegt.

Nicht weniger wichtig ist der Kontrast. Bei der Berücksichtigung von Blendung und Kontrast kommt es entscheidend auf den Unterschied zwischen absoluter und relativer Helligkeit an. Man bedenke nur, wie stark das Fernlicht eines Autos bei Nacht blenden kann, während man es am Tag kaum wahrnimmt.

In ähnlicher Weise verursacht eine starke Lichtquelle in einem hell erleuchteten Raum deutlich weniger Blendwirkung und Kontrast als beispielsweise ein einzelnes großes Fenster mit direkter Sonneneinstrahlung in einem ansonsten nur schwach erleuchteten Raum. Als Empfehlung gilt im Sichtfeld ein Leuchtdichteverhältnis von 1:10 für Sehaufgabe und direkte Umgebung. Mit dem Leuchtdichteverhältnis wird der Bezug der Leuchtdichte im zentralen Sichtfeld und der Umgebungssicht in den angrenzenden Zonen beschrieben³.

Fenster im Vergleich zu Glasdach-Lösungen

Eine gute Tageslichtverteilung im Raum ergibt sich häufig am besten durch die Nutzung mehrerer Tageslichtquellen, z. B. die kombinierte Nutzung von Tageslichtsystemen durch das Dach und Fenstern in der Fassade, wodurch sich auch die Aspekte Blendwirkung und Kontrast verringern lassen. Allerdings sollte man dabei die Bedeutung der Aussicht nach draußen nicht vergessen: „Wenn wir neben einem Fenster sitzen, tolerieren wir eher eine hohe Tageslichtmenge und genießen den Blick nach draußen, anstatt die Sonnenschutz-Rollos herunterzufahren und Kunstlicht einzuschalten.“⁴

In Bereichen, in denen selbst große Fensterflächen nicht genügend Tageslicht in den Raum lassen oder eine Montage ganz einfach nicht möglich ist, z. B. große Klassenzimmer, Hörsäle oder innenliegende Gemeinschaftsbereiche in einem Gebäude, stellen Lichtdach-Lösungen eine sehr gute Option dar. Bedienbare Lichtdach-Module, die strategisch in die Gesamtgestaltung eines Gebäudes eingebunden sind, ermöglichen ausreichend Tageslichteinfall in den dunklen Wintermonaten und sorgen das ganze Jahr über für Frischluftzufuhr. Damit verbessern sie auch die Raumluftqualität und tragen zur Temperaturregelung bei. 

Baunormen und Beleuchtungsstärken

Die Tageslichtmenge in einem Innenraum hängt in großem Maße von der Verfügbarkeit und den Eigenschaften des Tageslichts am Gebäudestandort ab (z. B. den vorherrschenden klimatischen Bedingungen). Der europäische Norm-Entwurf „Tageslicht in Gebäuden“ (prEN 17037) schlägt eine Änderung der Grundlage für die Tageslichtbewertung anhand von „Tageslichtquotient-Zielvorgaben“ auf Basis von Beleuchtungsstärken im Außenbereich mittels aufgezeichneter Klimadaten vor.

Die „Klima-Konnektivität“ des Entwurfs gibt an, dass ein Raum eine bestimmte Tageslicht-Zielvorgabe in Prozent, gemessen auf Arbeitshöhe und in Bezug gesetzt zur Grundfläche für die Hälfte der Tageslichtstunden pro Jahr erreichen sollte. Die Zielvorgabe in Bezug auf das Tageslichtniveau basiert auf dem Vorhandensein einer Beleuchtungsstärke in Innenräumen von mindestens 300 Lux, was den Anforderungen für die Beleuchtung an Arbeitsstätten entspricht. Das angestrebte Tageslichtniveau muss für 50% der relevanten Grundfläche in einem Raum über Fassadenfenster oder Öffnungen im geneigten Dach erreicht werden.

Zusätzlich ist ein Mindesttageslichtniveau, basierend auf der Schaffung einer inneren Lichtintensität von mehr oder gleich 100 Lux über 95% der Nutzfläche erforderlich. Ein Raum, der nur durch Dachfenster in einer nahezu horizontalen Dachkonstruktion belichtet wird, muss das angestrebte Tageslichtniveau über 95% der relevanten Grundfläche erreichen. Die entsprechenden Ziel-Tageslicht-Faktoren sind in der Norm für jede europäische Hauptstadt aufgeführt. Aufgrund der natürlichen Abnahme der Tageslichtverfügbarkeit sind die Werte für Länder in Nordeuropa höher als in Südeuropa.  

Das absolute Lichtniveau, das für eine bestimmte visuelle Aufgabe erforderlich ist, hängt von der Art der Aufgabe und der optischen Umgebung ab, in der diese Aufgabe ausgeführt wird. Die europäische Norm EN 12464-1: Licht und Beleuchtung — Beleuchtung von Arbeitsstätten — Teil 1: Arbeitsstätten in Innenräumen, enthält Informationen zur Beleuchtungsstärke in Innenräumen, die auf ein schulisches Umfeld anwendbar sind. Allgemein werden folgende Beleuchtungsstärken in Innenräumen empfohlen:

  • 100 Lux für Innenräume, in denen visuelle Aufgaben auf Bewegungen und die gelegentliche Wahrnehmung beschränkt sind, z. B. Laufwege, Korridore usw.
  • 300 Lux für Innenräume, in denen relativ einfache visuelle Aufgaben ausgeführt werden, z. B. Klassenzimmer, Übungszimmer, Computer-Praxisräume. Dieser Wert ist gleichzeitig als allgemeiner Mindestwert für alle Bereiche von Klassenzimmern anzusehen.
  • 500 Lux für Innenräume, in denen visuelle Aufgabe mit mittlerem Schwierigkeitsgrad ausgeführt werden und in denen die Unterscheidung von Farben erforderlich sein kann, z. B. Auditorien, Hörsäle, Praxisräume und Laboratorien, Büchereien (Lesebereiche) usw. In Klassenzimmern sollte dieser Wert im Umfeld von Schreibtafeln und Whiteboards erreicht werden.
  • 750 – 1.000 Lux für Innenräume, in denen sehr schwierige visuelle Aufgaben ausgeführt werden, bei denen kleine Details erkennbar sein müssen.

Quellen

  1. Impact of Lighting on School Performance in European Classrooms (2016) C. Maesano and I. Annesi-Maesano, CLIMA 2016, 12th REHVA World Congress 2016, Aalborg
  2. Clever Classrooms (2015), Summary report of the HEAD project, University of Salford, Manchester
  3. CLEAR Luminance Ratios 
  4. "Design Innovations for Contemporary Interiors and Civic Art", Luciano Crespi, 2016