Farbe und visuelle Komplexität: Wie wird ein Klassenzimmer anregend gestaltet?

Stimulation, Farbe und visuelle Komplexität sind für eine dynamische Lernumgebung im Klassenzimmer zwar von ganz entscheidender Bedeutung. 

Wo jedoch liegt das gesunde Gleichgewicht zwischen Unter- und Überstimulation?

Lebhafte Farben und überfrachtete visuelle Darstellungen führen bei Kindern leicht zu einer Überstimulation, auf der anderen Seite ist aber auch die schlichte weiße Wand nicht unbedingt eine Lösung. Wie finden wir in der Gestaltung eines Klassenzimmers also das rechte Gleichgewicht?

Theorien legen nahe, dass Abwechslung, Neues oder Atypisches zur visuellen Komplexität beitragen, was sich wiederum auf die Stimulation niederschlägt. Die Meinungen gehen jedoch auseinander, wenn es darum geht, ob in der Lernumgebung von Kindern eher mehr oder weniger Stimulation sinnvoll ist.

 

 

Kostenloses E-book  Gesündere Schulgebäude Sechs Wege, unseren Kindern beim Lernen zu helfen  Laden Sie dieses E-Book herunter und entdecken Sie die sechs  Gestaltungselemente, mit denen Architekten die Schulen von morgen gestalten  können. Jetzt herunterladen

Beispielsweise hat eine kürzlich im Bericht „Clever Classrooms“ zitierte Studie gezeigt, dass Kinder mit „geringer visueller Ablenkung“ weniger Zeit abseits ihrer Arbeit verbrachten und höhere Lernergebnisse erzielten als Kinder mit „hoher visueller Ablenkung“ ¹.

Dabei ergab sich auch, dass die Lernergebnisse in schlichten Klassenzimmern höher waren als in reich ausgeschmückten. Read et al (1999)² fanden unterdessen heraus, dass gegliederte Räume mit unterschiedlichen Deckenhöhen und Wandfarben den Gemeinschaftssinn stärken. Allerdings kehrt sich dieser Effekt um, wenn der Raum zu komplex wird.

Wieviel Komplexität darf es sein?

Die Studie „Clever Classrooms“ ließ den Schluss zu, dass die Wirkung der Komplexität kurvilinear verläuft. Sowohl eine zu hohe als auch eine zu niedrige Komplexität führt also zu ungünstigeren Lernbedingungen, wohingegen eine mittlere visuelle Komplexität optimal ist.

Die Studie kommt zu folgendem Schluss:

  • Die optische Abwechslung bei Böden und Decken genügt, um die Aufmerksamkeit der Schüler anzuregen und vermittelt gleichzeitig ein gewisses Maß an Ordnung. Höhere, einfachere Deckenformen können den Raum strecken, während komplexere Formen die Komplexität erhöhen können, vorausgesetzt, es wird dadurch keine optische Unruhe erzeugt.
  • Visuelle Darstellungen an den Wänden sollten gut gestaltet und gegliedert sein. Es wird empfohlen, 20 bis 50 % der Wand freizuhalten.
  • Fenster sollten aufgrund des Lichteinfalls möglichst frei von Präsentationsmaterial sein.

Am besten leuchtende Farben?

Für Kinder sind leuchtende Farben zweifellos sehr ansprechend. Ein funktioneller Ansatz im Umgang mit Farbe im Klassenzimmer sollte sich jedoch darauf konzentrieren, wie Farbe eingesetzt wird, um positive Ergebnisse zu erzielen, wie z. B. längere Konzentrationszeiten und eine geringere Ermüdung der Augen.

So haben beispielsweise Jalil et al (2012)³ untersucht, wie sich unterschiedliche Farben auf die Arbeitsleistung auswirken, bestimmte Verhaltensweisen hervorrufen, positive oder negative Wahrnehmungen von Umgebung und Aufgaben erzeugen sowie Stimmungen und Emotionen beeinflussen. Ihr Fazit: Eine farbenfrohe Umgebung hat erhebliche Auswirkungen auf die Lernfähigkeit und auch auf das Wohlbefinden der Schüler.

Während die Vorliebe für eine bestimmte Farbe sehr subjektiv sei, „wird Rot von Kleinkindern und älteren Menschen im Innenbereich bevorzugt, während Blau die bevorzugte Farbe junger Erwachsener, Büroangestellter und männlicher Schüler ist“³.

Für die Studie „Clever Classrooms“ (2015)⁴ wurden Elemente in gedeckten hellen Tönen (weiß/dezent) und leuchtenden Farben (rot/orange) bewertet. Die Stimulation durch den Einsatz von Farbe erwies sich als kurvilinear, d. h. die optimale Wirkung lag im Mittelbereich.

Weitere Ergebnisse:

  • Sowohl große, farbenfrohe Wandflächen als auch weiße Wände mit wenigen Farbelementen wurden schlecht bewertet. Ein Zwischenszenario mit allgemein hellen Wänden und einer abgesetzten Funktionswand in einer auffälligeren Farbe erwies sich als der effektivste Weg zur Optimierung des Lernvorgangs.
  • Vor diesem relativ ruhigen Hintergrund spielten zusätzliche Farbelemente eine ergänzende, anregende Rolle. Vergleichsweise leuchtende Farben auf Böden, Rollos, Tischen und Stühlen setzen beispielsweise zusätzliche Blickpunkte und Farbakzente.

Das wichtigste Fazit auf den Punkt gebracht: Ein Klassenzimmer sollte niemals öde und langweilig sein, zur Vermeidung von Reizüberflutung ist jedoch Sensibilität für Ausgewogenheit und Ordnungssinn gefragt.

Quellen

  1. Godwin and Fisher: Visual Environment, Attention Allocation, and Learning in Young Children: When Too Much of a Good Thing May Be Bad. 2014
  2. Read et al: Impact of Space and Color in the Physical Environment on Preschool Children’s Cooperative Behavior, Environment and Behavior. 1999
  3. Jalil et al: Environmental Colour Impact upon Human Behaviour: A Review. 2012.
  4. Clever Classrooms (2015), Summary report of the HEAD project, University of Salford, Manchester